Ob man Zwingli eigentlich nicht als frühmodernen Influencer bezeichnen kann, wollte kürzlich jemand von mir wissen. Nun, eigentlich gibt es tatsächlich Parallelen zwischen dem Theologen und vielen der heutigen MeinungsmacherInnen auf Social Media: Zwingli stammte aus gutem Haus, hatte ein hohes Mitteilungsbedürfnis und vernetzte sich durch seine Tätigkeit mit Gleichgesinnten in aller Welt.
Würde Zwingli heute noch leben, hätte er ziemlich sicher einen erfolgreichen Instagram-Account. Wie man gleich weit kommt, wenn man keine 1500 Jahre alte Kirche reformiert hat, erfahren Sie hier. In meinen five thinking steps, sozusagen.
1. Die richtige Nische finden
Instagram ist mittlerweile überflutet mit austauschbaren Accounts. Es ergibt also keinen Sinn, noch einen Account zu eröffnen, auf dem man bloss schöne Fotos von seinem Essen postet. Instagram ist heute eine Plattform, auf der sich Gleichgesinnte über Themen, die sie interessieren, austauschen. Es bringt also was, sich konkret zu überlegen, wen man mit seinen Inhalten ansprechen möchte. Das Wichtigste dabei: Leidenschaft und Expertise. Ich persönlich beschäftige mich seit Jahren mit feministischen Anliegen und schreibe als Journalistin auch darüber. Ich führe ein öffentliches Instagramprofil mit meinem richtigen Namen. Durch meine Erfahrung und meine Passion habe ich Ahnung vom Thema. Meine Inhalte sind deshalb glaubhaft und wurden mit Herz erstellt. Meine Follower wissen genau, was sie bei mir bekommen: Eine Auseinandersetzung mit feministischen Aspekten in Popkultur, Weltgeschehen und Politik, gespickt mit Einblicken in meinen Alltag.
2. Regelmässigkeit ist alles
Social-Media-Kanäle funktionieren ähnlich wie früher Fernsehprogramme, was die Frequenz der Inhalte angeht. Beispielsweise laden viele YoutuberInnen zu bestimmten Tageszeiten an bestimmten Wochentagen ihre Videos hoch und auf Instagram lautet die Faustregel, um seinen Account bekannt zu machen: Mindestens einmal am Tag etwas posten! Das wichtigste ist aber, sich einen Rhythmus zu suchen, den man durchziehen kann. Studien zeigen, dass der Algorithmus auf Instagram diejenigen Accounts bevorzugt, die regelmässig Inhalte hochladen. Das bedeutet, dass die Inhalte von mehr Menschen gesehen werden.
3. Hashtags, baby!
Hashtags sind wichtig, weil sie anderen Usern ermöglichen, einen Instagram-Account zu finden, den sie noch nicht abonniert haben. Instagram lässt höchstens 30 Hashtags pro Post zu und es empfiehlt sich, die 30 möglichst auszunutzen. So erscheint man in möglichst vielen Suchergebnissen. Dabei ist es wichtig – gerade als Account mit noch wenigen Followern – nicht nur die beliebtesten zu wählen. Der Hashtag #feminist beispielsweise verzeichnet aktuell fast 4,5 Millionen Suchergebnisse auf Instagram. Ein kleineres Suchvolumen bedeutet auch weniger Konkurrenz bei den Ergebnissen. Ich wähle also für meine Posts darum auch eher unbekannte Hashtags wie #swissfeminist oder #feministwriter und #feministjournalist. So wird mein Instagram-Account bei der entsprechenden Suche mit höherer Wahrscheinlichkeit angezeigt.
4. Die Persönlichkeit spielen lassen
Wer auf Social Media Erfolg haben will, hat keine Chance ohne Charakter. Die persönliche und emotionale Bindung zu den Followern ist enorm wichtig, sorgt dafür, dass Geschichten um ein Vielfaches glaubhafter wirken und ein Account eine nachhaltige Wirkung hat. Dazu gehört für mich auch, die eigenen Gefühle preiszugeben, wenn es zu meinen Inhalten passt. Ein Beispiel: Auf meinem Instagram-Account habe ich Fotos von einer Reise nach Paris geteilt. Die Reise war ein einschneidendes Erlebnis für mich, weil ich während des Terroranschlags auf den Musikclub Bataclan in der Stadt war, um eine Musikreportage zu schreiben. Nur durch einen unglaublich glücklichen Zufall war ich am Abend des Anschlags nicht im Bataclan. Als ich im März dieses Jahres zum ersten Mal nach diesem Erlebnis wieder in Paris war, habe ich dieses Bild gepostet und in der Bildunterschrift meine Geschichte zusammengefasst:
Dieser Post befasst sich einerseits mit meiner Arbeit als Journalistin, zeigt aber auch meine emotionale Seite und meine Follower erfahren eine persönliche Geschichte von mir.
5. Das wahre Ich bewahren
Bis vor kurzem habe ich bei einem sehr erfolgreichen Social-Media-Magazin gearbeitet. Wir produzierten dort vor allem Instagram-Videos für eine sehr junge Zielgruppe von Anfang 20, in denen ich ab und zu zu sehen war. Unsere Inhalte setzen sich auf humorvolle Weise mit sozialkritischen Themen auseinander, machen also auch auf unangenehme Angelegenheiten aufmerksam. Wir erreichten nach kurzer Zeit über 200’000 Menschen auf Instagram und Facebook, was dazu führte, dass ich auf der Strasse erkannt und angesprochen wurde. In den allermeisten Fällen waren diese Begegnungen angenehm und ich habe mich über den direkten Austausch mit der ansonsten relativ anonymen Masse aus dem Internet gefreut. Ich habe aber schnell gemerkt, dass es vor allem jungen Menschen schwer fällt, zu akzeptieren, dass ich nicht immer in der lustigen Rolle aus unseren Videos bin und manchmal einfach nur müde. Dass ich angetrunken auf dem Weg nach Hause in Ruhe gelassen werden will. Diese Erlebnisse haben dazu geführt, dass ich auf meinem öffentlichen Instagram-Account nur sehr ausgewählte Ausschnitte aus meinem Leben zeige. Die Miriam, die ich dort zeige, hat nicht viel mit der zu tun, die Sonntagabends auf dem Sofa fläzt und sich Pizza und Mafia-Serien reinzieht. Und das ist gut und vor allem gesund so. Denn so bewahre ich mir das, was Social Media für mich ausmacht: Spass und Leidenschaft.