Welche Kraft haben künstlerische Strategien bei der Sichtbarmachung von Geschichte? Und wie hängt diese Geschichte mit der heutigen Situation zusammen? In Kooperation mit den Künstlerinnen Brigitte Dätwyler und Lena Maria Thüring, möchte die Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ) Stimmen von Frauen hörbar machen, die sonst in der Öffentlichkeit kaum gehört werden.
Die komplexen Ausschlussmechanismen, welche Frauen an den Rand der Gesellschaft drängen, und ihre Verbindungen zur Geschichte der Reformation stehen im Zentrum dieses Kunstforschungsprojektes.
Während Ehefrauen im Zuge der Reformation eine Aufwertung und ein gewisser Rechtsschutz beschert wurden, gerieten alleinstehende Frauen unter den neuen Zürcher Sittengesetzen immer stärker unter Generalverdacht, wurden kriminalisiert und an den Rand der Stadtgesellschaft gedrängt. In einer forschenden Haltung nähern sich die Künstlerinnen Lena Maria Thüring und Brigitte Dätwyler in Kooperation mit Klientinnen der FIZ den vergessenen und verdrängten Zonen, den prekären Existenzen der Reformationszeit. Sie gehen von Prozessakten des Ehe- und Sittengerichtes aus und machen die Stimmen von Frauen, die in die Mühlen der Justiz gerieten, wieder hörbar. Gleichzeitig werfen sie einen kritischen Blick auf die aktuelle gesellschaftliche Gemengelage in Zürich und schlagen dabei einen Bogen zur heutigen Situation, in der aktives Eingreifen dringend nötig ist.
Eine Gesellschaft, wie die des reformierten Zürichs, muss sich auch an den Marginalisierten und Schwachen messen lassen, und ihre Schattenseiten ans Licht bringen. Das gilt natürlich auch für das Zürich von heute, jene Stadt, die sich als weltoffen, inkludierend und tolerant versteht. Welche blinden Flecken haben wir? Eine Aufarbeitung der Hexenverfolgung und der Sittengesetze und ihrer Auswirkungen ist historisch zu einem gewissen Teil bereits geschehen: die Akten sind gesichtet, die Zahlen und Schicksale liegen klar vor uns. Um sie zu verstehen und im Jetzt einzuordnen, ist jedoch eine andere Art von Forschung nötig – eine künstlerische Auseinandersetzung mit den Peripherien unserer Gesellschaft, mit unseren blinden Flecken.
Das von Damian Christinger initiierte und von Brigitte Dätwyler und Lena Maria Thüring umgesetzte Projekt untersucht Diskriminierungsmechanismen, mit denen Frauen in Zürich seit der Neuzeit konfrontiert werden. Der Begriff der Nächstenliebe wird dabei wie ein Prisma auf die Care-Arbeit der Jetztzeit angewendet, um die Arbeit zu beleuchten, die immer noch mehrheitlich von Frauen in unserer Gesellschaft geleistet wird. Gemeinsam mit fünf Klientinnen der FIZ wurde in fünf Workshops eine Choreografie aus ihrem Lebens- und Arbeitsalltag entwickelt. Zwei Kameras begleiteten die Workshops und geben damit Einblick in den Prozess der Entstehung des Videofilms, in die Begegnungen unter den Frauen und in die Biografien der Protagonistinnen.
Filmvorführungen mit anschliessender Gesprächsrunde:
31. Oktober 2018, 18.00 Uhr
Gespräch zu aktuellen und historischen Mechanismen der Ausgrenzung von Frauen
Gäste:
Damian Christinger – freier Kurator
Katharina Brandl – Kunsthistorikerin Uni Basel, freie Kuratorin
Esther Straub – Kantonsrätin und Pfarrerin
Moderation:
Anna Francke, Kunsthistorikerin und freie Kuratorin
14. November 2018, 18.00 Uhr
Gespräch zu den Bedingungen und Zusammenhängen von Care-Arbeit und Migration
Gäste:
Damian Christinger – freier Kurator
Anke Hoffmann – Kulturwissenschaftlerin, Kuratorin, Kulturvermittlerin
Sarah Schilliger – Soziologin
Chantal Riedo – Leiterin Beratungsstelle für Migrantinnen, FIZ Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration
Sarah Schilliger – Soziologin
Brigitte Dätwyler und Lena Maria Thüring – Künstlerinnen
Moderation:
Anna Francke, Kunsthistorikerin und freie Kuratorin
Eintritt frei
Museum Haus Konstruktiv
Selnaustrasse 25
8001 Zürich
06. Februar 2019, 19.00 Uhr
Filmscreening im Houdini Kino/Bar.
Anschliessend Gespräch mit den Künstlerinnen.
Eintritt CHF 15.-